INTERNATIONALE BEGEGNUNG ZUM 50. GRÜNDUNGSTAG DES NEOKATECHUMENALEN WEGES AM 05.05.2018
Franziskus
Tor Vergata – Rom, 5. Mai 2018
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Ich freue mich, euch zu begegnen und mit euch zu sagen: danke! Ich danke Gott, und ich danke auch euch, vor allem jenen, die eine lange Reise unternommen haben, um hier zu sein. Danke für das »Ja«, das ihr gesagt habt, dass ihr dem Ruf des Herrn gefolgt seid, das Evangelium zu leben und zu evangelisieren. Und ein großer Dank gilt auch jenen, die vor 50 Jahren den Neokatechumenalen Weg begonnen haben.
50 ist eine wichtige Zahl in der Heiligen Schrift: Am 50. Tag kam der Geist des Auferstandenen auf die Apostel herab und offenbarte der Welt die Kirche. Noch früher hatte Gott das 50. Jahr geheiligt: »Dieses fünfzigste Jahr gelte euch als Jubeljahr« (Lev 25,11). Ein heiliges Jahr, in dem das auserwählte Volk neue Wirklichkeiten persönlich erfahren sollte, wie die Befreiung und die Heimkehr der Unterdrückten: »Ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus!«, hatte der Herr gesagt. »Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren« (V. 10). Es wäre daher schön, wenn jeder von euch 50 Jahre nach der Gründung des Neokatechumenalen Weges sagen würde: »Danke, Herr, dass du mich wirklich befreit hast; dass ich in der Kirche meine Familie gefunden habe; dass in deiner Taufe das Alte vergangen ist und ich ein neues Leben genieße (vgl. 2 Kor 5,17); dass du mir durch den Neokatechumenalen Weg den Pfad gezeigt hast, um deine zärtliche Vaterliebe zu entdecken.«
Liebe Brüder und Schwestern, am Ende werdet ihr das »Te Deum« singen als Dank für Gottes Liebe und Treue. Das ist sehr schön: Gott für seine Liebe und für seine Treue zu danken. Oft danken wir ihm für seine Gaben, für das, was er uns gibt, und es ist gut, das zu tun. Aber noch besser ist es, ihm für das zu danken, was er ist, denn er ist der Gott, der treu ist in seiner Liebe. Seine Güte hängt nicht von uns ab. Was auch immer wir tun: Gott bleibt uns in seiner Liebe immer treu. Das ist die Quelle unseres Vertrauens, der große Trost des Lebens. Habt daher Mut, seid nie betrübt! Und wenn die Wolken der Probleme sich schwer über euren Tagen zu verdichten scheinen, dann denkt daran, dass die treue Liebe Gottes immer erstrahlt, wie eine Sonne, die nie untergeht. Gedenkt seiner Güte, die stärker ist als all unsere Übel, und das süße Gedenken an die Liebe Gottes wird euch in jeder Bedrängnis helfen.
Es fehlt noch ein wichtiges »Danke«: an jene, die sich anschicken, in die Mission zu gehen. Ich verspüre den Wunsch, euch etwas von Herzen zu sagen über die Mission, über die Evangelisierung, die heute die Priorität der Kirche ist. Denn Mission bedeutet, der treuen Liebe Gottes eine Stimme zu verleihen. Sie bedeutet zu verkündigen, dass der Herr uns liebt und dass er meiner, deiner, unser und dieser unserer Welt, derer wir vielleicht müde werden, nie müde wird. Mission bedeutet, das zu geben, was wir selbst empfangen haben. Mission bedeutet, das Gebot Jesu zu erfüllen, das wir gehört haben und über das ich euch etwas sagen möchte: »Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern« (Mt 28,19). »Geht!« Die Mission macht es erforderlich aufzubrechen.
Im Leben ist jedoch die Versuchung stark, zu bleiben, keine Risiken einzugehen, sich damit zu begnügen, die Situation unter Kontrolle zu haben. Es ist leichter, zu Hause zu bleiben, umgeben von denen, die uns lieben, aber das ist nicht der Weg Jesu. Er sendet aus: »Geht!« Er macht keine Halbheiten. Er genehmigt keine Kostenvergünstigungen oder Reisekostenerstattungen, sondern er sagt zu seinen Jüngern, zu allen seinen Jüngern nur ein Wort: »Geht!« Geht: Ein starker Ruf, immer im Aufbruch zu sein, Pilger in der Welt auf der Suche nach dem Bruder, der die Freude der Liebe Gottes noch nicht kennt.
Wie aber soll man gehen? Man muss beweglich sein, man kann nicht den ganzen Hausrat mitnehmen. Die Bibel lehrt es: Als Gott das auserwählte Volk befreite, ließ er es in die Wüste ziehen, im Gepäck nur das Vertrauen auf ihn. Und als er Mensch geworden war, zog er selbst in Armut umher, ohne einen Ort zu haben, wo er sein Haupt hinlegen konnte (vgl. Lk 9,58). Denselben Stil verlangt er von den Seinen. Um zu gehen, muss man unbelastet sein. Um zu verkündigen, muss man verzichten. Nur eine Kirche, die auf die Welt verzichtet, verkündigt den Herrn gut. Nur eine Kirche, die von Macht und Geld gelöst ist, die von allen Formen des Triumphalismus und des Klerikalismus frei ist, bezeugt auf glaubwürdige Weise, dass Christus den Menschen befreit. Und wer aus Liebe zu ihm lernt, auf vergängliche Dinge zu verzichten, nimmt diesen großen Schatz an: die Freiheit. Er bleibt nicht länger eingespannt von den eigenen Wünschen, die immer etwas mehr fordern, aber nie Frieden geben, und spürt, dass das Herz sich weitet, ohne jede Unruhe, bereit für Gott und für die Geschwister.
»Geht« ist das Verb der Mission, und es sagt uns noch etwas: dass es im Plural konjugiert wird. Der Herr sagt nicht: »geh, dann … du, dann… du«, sondern »geht«, gemeinsam! Vollkommen missionarisch ist nicht, wer allein geht, sondern wer gemeinsam mit anderen geht. Gemeinsam zu gehen ist eine Kunst, die man immer lernen muss, jeden Tag. Man muss zum Beispiel achtgeben, den anderen nicht den Schritt vorzugeben. Vielmehr muss man begleiten und warten und daran denken, dass der Weg des anderen nicht mit meinem Weg identisch ist. Wie im Leben niemand einen Schritt hat, der dem eines anderen völlig gleich ist, so ist es auch im Glauben und in der Mission: Man geht gemeinsam, ohne sich zu isolieren und ohne anderen den eigenen Gang aufzuzwingen. Man geht vereint, als Kirche, mit den Hirten, mit allen Geschwistern, ohne Flucht nach vorn und ohne sich über jene zu beklagen, die langsamer gehen. Wir sind Pilger, die von den Geschwistern begleitet andere Geschwister begleiten, und es ist gut, das persönlich zu tun, mit Fürsorge und Achtung vor dem Weg eines jeden und ohne das Wachstum eines anderen zu erzwingen, denn die Antwort an Gott reift nur in der echten und aufrichtigen Freiheit.
Der auferstandene Jesus sagt: »Macht zu Jüngern.« Das ist die Mission. Er sagt nicht: Erobert, besetzt, sondern »macht zu Jüngern«, also teilt mit den anderen das Geschenk, das ihr empfangen habt, die Begegnung der Liebe, die euer Leben verändert hat. Das ist das Herzstück der Mission: zu bezeugen, dass Gott uns liebt und dass mit ihm die wahre Liebe möglich ist – jene Liebe, die dazu bringt, das Leben überall zu schenken: in der Familie, am Arbeitsplatz, als geweihte Personen und als Eheleute. Mission bedeutet, wieder zu Jüngern zu werden mit den neuen Jüngern Jesu. Es bedeutet, sich wieder als Teil einer Kirche zu entdecken, die Jüngerin ist. Gewiss, die Kirche ist Lehrmeisterin, aber sie kann keine Lehrmeisterin sein, wenn sie nicht zuerst Jüngerin ist – so wie sie nicht Mutter sein kann, wenn sie nicht zuerst Tochter ist. Das ist unsere Mutter: eine demütige Kirche, Tochter des Vaters und Jüngerin des Meisters, glücklich, Schwester der Menschheit zu sein. Und diese Dynamik der Jüngerschaft – der Jünger, der Jüngern heranbildet – ist ganz anders als die Dynamik des Proselytismus.
Hier liegt die Kraft der Verkündigung, damit die Welt glaubt. Es zählen nicht die Argumente, die überzeugen, sondern das Leben, das anzieht; nicht die Fähigkeit, sich zu behaupten, sondern der Mut zu dienen. Und ihr habt in eurer »DNA« diese Berufung zu verkündigen, indem ihr in der Familie lebt, nach dem Vorbild der Heiligen Familie: in Demut, Einfachheit und Lobpreis. Bringt diese Atmosphäre der Familie an viele einsame und lieblose Orte. Gebt euch als die Freunde Jesu zu erkennen. Nennt alle Freunde und seid Freunde aller.
»Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern.« Und wenn Jesus sagt »alle«, dann scheint er hervorheben zu wollen, dass es in seinem Herzen Raum gibt für jedes Volk. Keines ist ausgeschlossen. Wie die Kinder für einen Vater und eine Mutter: Auch wenn es viele sind, große und kleine, so ist jeder von ganzem Herzen geliebt. Denn wenn die Liebe sich hinschenkt, nimmt sie nicht ab, sondern nimmt zu. Und sie ist immer hoffnungsvoll. Wie die Eltern zunächst nicht alle Fehler und Mängel ihrer Kinder sehen, sondern die Kinder selbst, und in diesem Licht ihre Probleme und ihre Schwierigkeiten erkennen, so machen es die Missionare mit den von Gott geliebten Völkern. Sie stellen nicht die negativen Aspekte und die Dinge, die geändert werden müssen, in den Vordergrund, sondern »schauen mit dem Herzen«, mit einem Blick, der Wertschätzung schenkt, mit einem Ansatz, der Achtung schenkt, mit einem Vertrauen, das Geduld zeigt. Geht so in die Mission, und denkt daran, dass es ein »Heimspiel« ist. Denn der Herr ist in jedem Volk zuhause, und sein Geist hat bereits vor eurer Ankunft den Samen gelegt. Und indem ihr an unseren Vater denkt, der die Welt so sehr geliebt hat (vgl. Joh 3,16), sollt ihr die Menschheit leidenschaftlich lieben, als Mitarbeiter der Freude aller (vgl. 2 Kor 1,24), einflussreich, weil ihr euch zu Nächsten macht, hörbar, weil ihr nahe seid. Liebt die Kulturen und die Traditionen der Völker, ohne vorgefertigte Modelle anzuwenden. Geht nicht von Theorien und Schemata aus, sondern von den konkreten Situationen: So wird der Heilige Geist die Verkündigung formen, seinen Zeiten und Vorgehensweisen gemäß. Und die Kirche wird nach seinem Abbild wachsen: vereint in der Vielfalt der Völker, der Gaben und der Charismen.
Liebe Brüder und Schwestern, euer Charisma ist ein großes Geschenk Gottes für die Kirche unserer Zeit. Danken wir dem Herrn für diese 50 Jahre: ein Applaus für die 50 Jahre! Und verliert im Hinblick auf seine väterliche, brüderliche und liebevolle Treue nie das Vertrauen: Er wird euch behüten und gleichzeitig anspornen, als geliebte Jünger zu allen Völkern zu gehen, in demütiger Einfachheit. Ich begleite und ermutige euch: Geht voran! Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten, denn ich bleibe hier!