AUDIENZ DES HEILIGEN VATERS JOHANNES PAUL II. FÜR EINE GRUPPE DER KATECHISTEN-ITINERANTEN DES NEOKATECHUMENALEN WEGES AM 17.01.1994
Hl. Johannes Paul II.
Vatikanstadt – Sala Clementina, 17. Januar 1994 *
Johannes Paul II. empfing eine Gruppe der Katechisten-Itineranten des Neokatechumenalen Weges zu einer Audienz in der Sala Clementina.
In den Begrüßungsworten an Johannes Paul II. zur Eröffnung der Audienz, erinnerte der Initiator des Neokatechumenalen Weges, Kiko Argüello, zunächst an die Früchte der außergewöhnlichen Erfahrung, die 30.000 junge Menschen vom „Weg“ während des Welttreffens, anlässlich des 8. Weltjugendtags im August letzten Jahres in Denver, gemacht hatten. Nach diesem Treffen beschlossen zwölfhundert junge Männer, in ein Priesterseminar einzutreten und eintausend Mädchen entschieden sich für das Klosterleben in Klausur. „Von Denver aus – sagte er– hat es wirklich einen Wendepunkt in der Kirche gegeben. In Denver gab es eine besondere Gnade des Heiligen Geistes und die jungen Menschen wurden vor allem vom Wort des Heiligen Vaters angesprochen“.
Kiko Argüello präsentierte daraufhin dem Papst die Itineranten-Verantwortlichen von 94 Nationen der fünf Kontinente, die an einem siebentägigen Treffen über die Realität des „Weges“, über die Früchte der Familien in Mission (400 weltweit) sowie über die Seminare „Redemptoris Mater“, teilnahmen (bereits 25 dieser Seminare sind in verschiedenen Ländern eröffnet worden). Sieben Jahre sind vergangen, seitdem die ersten Familien des „Weges“ in Mission in den ärmsten Ländern Lateinamerikas aufgebrochen waren. Bis heute hat die vollzogene Evangelisierungsarbeit reiche Früchte in Pfarreien, Seminaren, Familien und in politischen und sozialen Gebilden, die schwierig und glaubensfeindlich sind, getragen. „Wir sind fest davon überzeugt – sagte unter anderem Kiko Argüello–, dass die Zukunft der Menschheit durch die Familie geht“. Indem die Familien im Glauben wachsen, öffnen sie sich für das Leben und vermitteln ihren Kindern die Neuheit und die Freude der christlichen Botschaft. Der Neokatechumenale Weg bietet ständige Unterstützung für dieses wichtige Evangelisierungswerk, im Bewusstsein – sagte Kiko Argüello –, dass „die kleine Gemeinschaft in der Lage sein wird, die Familie in Europa zu retten“.
Dies ist der Text der Ansprache, die der Heilige Vater an sie gerichtet hat:
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
1. Es ist mir eine große Freude, euch zu begegnen, erfahrene Katechisten-Itineranten des Neokatechumenalen Weges, die, zusammen mit den Initiatoren und Verantwortlichen, euch versammelt habt, um zu beten und über die Früchte und Perspektiven der euch anvertrauten Mission nachzudenken, unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Familien unter den Armen. Ich grüße Herrn Kiko Argüello und danke ihm für die Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße jeden von euch mit Zuneigung. Der Friede des Herrn sei mit euch!
2. Euer „Weg“ beabsichtigt, aus dem Geist des II. Vatikanischen Konzils zu schöpfen, um ein Beispiel für Neuevangelisierung zu geben, die der Kirche am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends Hoffnung gibt. Euer Verdienst ist es, eine „kerygmatische“ Verkündigung wiederentdeckt zu haben, die sogar die „Fernstehenden“ zum Glauben einlädt, indem sie ein postbaptismales Itinerarium gemäß den Richtlinien des „Ordo Initiationis Christianae Adultorum“durchführt, auf die der Katechismus der katholischen Kirche hinweist (vgl. Nr. 1231). Im Zentrum dieses Glaubensweges steht eine fruchtbare Synthese zwischen Verkündigung, Veränderung des moralischen Lebens und Liturgie. All dies geschieht in kleinen Gemeinschaften, in denen „das Nachdenken über das Wort Gottes und die Teilnahme an der Eucharistie … lebendige Zellen der Kirche bilden und die Vitalität der Gemeinde durch reife Christen erneuern, die in der Lage sind, mit einem radikal gelebten Glauben die Wahrheit zu bezeugen“ (Botschaft an die Bischöfe Europas, versammelt am 12. April 1993 in Wien). Diese Gemeinschaften helfen dabei, die Kirche als den Leib Christi zu erleben, in dem Gott durch sakramentale Zeichen sein Heilshandeln auf Menschen jeder Generation ausbreitet, insbesondere auf Familien.
3. Heute erkennen alle die schwere Krise an, welche die Familie betrifft, und den Ursprung der tiefsten Übel der heutigen Gesellschaft ausmacht. Genau aus diesem Grund hat sich die Kirche die Initiative der Vereinten Nationen zu eigen gemacht und 1994 zum Jahr der Familie erklärt. Eure bereits langjährige Erfahrung auf dem „Weg“ wird euch sicherlich gelehrt haben, dass die kleine Gemeinschaft, unterstützt durch das Wort Gottes und die Sonntags-Eucharistie, zu einem Ort der Kommunion wird, an dem die Familie den Sinn und die Freude ihrer grundlegenden Mission wiederfindet: natürliches und übernatürliches Leben zu vermitteln. Die Familie kann diese ursprüngliche Aufgabe nicht an andere delegieren. Seit den ältesten Zeiten sehen wir, dass es im Volk Gottes die Familie ist, die sich als erstes Gebiet der Evangelisierung anbietet, wie im Deuteronomium zu lesen ist: „Diese Worte … sollst du deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst“ (Dtn 6,7).Eure Familien entdecken dann das tägliche Gebet mit ihren Kindern wieder und vor allem jene Hausfeier, am Tag des Herrn vollzogen, bei welcher der Vater und die Mutter die Heilige Schrift aufschlagen, vorlesen und kommentieren und die Kinder sich in einem vom Heiligen Geist erleuchteten Dialog öffnen können. Dieser Brauch hallt in dem Brief wieder, in dem der heilige Paulus Timotheus daran erinnert, wie seine Mutter und Großmutter ihn von Kindheit an in die heiligen Schriften eingeführt haben (vgl. 2 Tim 1,5; 3,14-15).
4. Angesichts dessen ist es daher nicht schwierig, die Früchte des Neokatechumenalen Weges festzustellen: Die versöhnten Familien, die offen für das Leben und der Kirche dankbar sind, bieten sich an, um die Verkündigung des Evangeliums bis ans Ende der Welt zu bringen. Ich selbst hatte bei anderen Anlässen Gelegenheit, das Kruzifix den Familien zu übergeben, die in die ärmsten und am stärksten entchristlichten Gebiete abreisten. Von diesen Familien kommen nun zahlreiche Berufungen. Mädchen, die sich für ein Ordens- und kontemplatives Leben entscheiden; junge Männer auf dem Weg zum Priestertum in den örtlichen Seminaren sowie in den diözesanen missionarischen Seminaren Redemptoris Mater, die entstanden, um den Kirchen zu helfen, die angesichts des Mangels an Geistlichen in ernsthaften Schwierigkeiten sind. So wird der Wunsch des II. Vatikanischen Konzils Realität: „Die Priester mögen also daran denken, daß ihnen die Sorge für alle Kirchen am Herzen liegen muß… Zu diesem Zweck können deshalb mit Nutzen internationale Seminare… geschaffen werden“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 10).
5. Vor allem aber ist der Missionsaufschwung eine große Frucht dieses Weges. Ich freue mich zu erfahren, dass die Worte, die ich an junge Menschen in Denver richtete, ein Echo in euch fanden. Ich sagte damals: „Es ist keine Zeit, sich wegen des Evangeliums zu schämen (vgl. Röm 1,16). Es ist Zeit, es von den Dächern aus zu verkünden (vgl. Mt 10,27)“ (Predigt bei der Heiligen Messe beim Weltjugendtag in Denver, 15. August 1993). Aus diesem Grund bereitet ihr euch auf große Volksmissionen vor, die sich insbesondere an diejenigen richten, die die Kirche verlassen haben oder sie noch nicht kennen. Ich wünsche, dass die Initiative, das Evangelium in voller Übereinstimmung mit den Ortsbischöfen auf der Straße zu verkünden, überall reiche Früchte bringt.
6. Liebe Itineranten-Evangelisatoren!Ich wende mich mit großer Zuneigung an euch, die ihr alles verlassen habt, um Christus, den Gekreuzigten in 94 Ländern der fünf Kontinente zu verkünden, in fügsamem und ständigem Gehorsam den Bischöfen gegenüber. Ich fordere euch auf, dem Charisma, das Gott euch zum Wohl der gesamten kirchlichen Gemeinschaft anvertraut hat, stets treu zu bleibenund mit eurer Arbeit zur tiefgreifendsten Wiederentdeckung der christlichen Initiation der Erwachsenen beizutragen. Ich versichere euch meines ständigen Gebetsgedenkens und bin heute froh darüber, in einer Atmosphäre festlicher Kommunion, das Kruzifix an diejenigen von euch zu übergeben, die berufen sind, Itineranten- Evangelisatoren zu sein. Möge die Allerseligste Maria, die demütige Jungfrau von Nazareth, euch auf eurer Pilgerreise in der Welt zur Verkündigung des Reiches Gottes begleiten. Bleibt ihr alle unter ihrem mütterlichen Schutz! Von Herzen erteile ich euch, euren Familien und dem Neokatechumenalen Weg den apostolischen Segen.
(*) Vgl. „L’Osservatore Romano“, 17. – 18. Januar 1994 (eigene Übersetzung aus dem Italienischen).