BEGEGNUNG MIT DEN PRIESTERN DER DIÖZESE ROM AM 22.02.2007

BEGEGNUNG MIT DEN PRIESTERN DER DIÖZESE ROM AM 22.02.2007

Benedikt XVI.

Vatikan – Segenshalle, 22. Februar 2007 *

Bei der jährlichen Begegnung des Heiligen Vaters mit den Priestern der Diözese Rom in der Fastenzeit, haben einige Pfarrern die Möglichkeit Fragen zu stellen und vom Papst eine Antwort zu bekommen. Auf die Frage eines Pfarrers, wie er sich für ein Ministerium der Einheit der universellen Kirche einsetzen soll, beantwortete der Heilige Vater indem er auch über den Neokatechumenalen Weg sprach, über seine persönliche Kenntnis des Weges und über die Statuten. Das Thema »Kirchliche Bewegungen und Neue Gemeinschaften als Geschenk der Vorsehung für unsere Zeit« wurde von Pater Gerardo Raul Carcar vorgeschlagen. Er selbst gehört der Gemeinschaft der Schönstatt-Patres an, ist vor sechs Monaten aus Argentinien nach Rom gekommen und arbeitet jetzt als Hilfsvikar in der Pfarrei »San Girolamo a Corviale«. Es handelt sich um Realitäten, die einen kreativen Eifer haben, den Glauben leben und nach neuen Lebensformen suchen, um eine richtige missionarische Aufgabe in der Kirche zu finden. Der Ordensmann hat den Papst um Rat gebeten, wie man sich einfügen soll, um tatsächlich einen Dienst an der Einheit in der Universalkirche zu entfalten.

Antwort des Papstes:

Nun, ich sehe, ich muss kürzer sein. Danke für diese Frage. Es scheint mir, dass Sie die wesentlichen Quellen dessen zitiert haben, was ich über die Bewegungen sagen kann. In diesem Sinne ist Ihre Frage auch eine Antwort. Ich möchte sofort darauf hinweisen, dass ich in diesen Monaten die italienischen Bischöfe zu einem „ad limina“ -Besuch empfange, damit ich etwas besser über die Geographie des Glaubens in Italien lernen kann. Ich sehe so viele schöne Dinge zusammen mit den Problemen, die wir alle kennen. Vor allem sehe ich, wie tief der Glaube im italienischen Herzen verwurzelt ist, obwohl er unter den gegenwärtigen Umständen zweifellos in vielerlei Hinsicht bedroht ist. Die Bewegungen akzeptieren auch meine väterliche Rolle als Pastor. Andere sind kritischer und sagen, dass die Bewegungen nicht eingefügt werden. Ich denke, dass die Situationen sehr unterschiedlich sind, alles hängt von den betreffenden Personen ab.

Mir scheint, wir haben zwei Grundregeln, von denen Sie ja gesprochen haben. Die erste Regel hat uns der hl. Paulus im Ersten Brief an die Thessalonicher gegeben: Wir sollen die Charismen nicht auslöschen. Wenn uns der Herr neue Gaben schenkt, sollen wir dankbar sein, auch wenn sie manchmal unbequem sind. Es ist schön, dass – ohne Initiative der Hierarchie – durch eine sogenannte Initiative von unten, aber tatsächlich auch durch eine Initiative von oben, das heißt als Gabe des Heiligen Geistes, in der Kirche neue Formen des Lebens entstehen, wie sie im Übrigen zu allen Zeiten entstanden sind.

Anfangs waren sie immer unbequem: Auch der hl. Franziskus war sehr unbequem, und es war für den Papst sehr schwierig, einer Wirklichkeit, die viel größer war als die rechtlichen Vorschriften, schließlich eine kanonische Form zu geben. Für den hl. Franziskus war es ein sehr großes Opfer, sich in dieses rechtliche Gerüst einzwängen zu lassen, aber am Ende ist auf diese Weise eine Wirklichkeit entstanden, die noch heute lebt und die auch in Zukunft leben wird: Sie schenkt dem Leben der Kirche Kraft und neue Elemente. Ich möchte damit nur sagen: In allen Jahrhunderten sind Bewegungen entstanden. Auch der hl. Benedikt war anfangs eine Bewegung. Sie fügen sich nicht ohne Leiden, nicht ohne Schwierigkeiten in das Leben der Kirche ein. Selbst der hl. Benedikt musste die anfängliche Richtung des Mönchtums korrigieren. Und so hat uns auch in unserem Jahrhundert der Herr, der Heilige Geist neue Initiativen mit neuen Aspekten des christlichen Lebens geschenkt: Da sie von Menschen mit ihren Grenzen gelebt werden, rufen sie auch Schwierigkeiten hervor.

Die erste Regel lautet also: Die Charismen nicht auslöschen, dankbar dafür sein, auch wenn sie unbequem sind. Die zweite Regel lautet: Die Kirche ist »eine«; wenn die Bewegungen wirklich Gaben des Heiligen Geistes sind, fügen sie sich ein und dienen der Kirche, und im geduldigen Dialog zwischen Bischöfen und Bewegungen entsteht eine neue fruchtbare Form, wo diese Elemente zu aufbauenden Elementen für die Kirche von heute und von morgen werden. Dieser Dialog findet auf allen Ebenen statt. Ausgehend vom Pfarrer, vom Bischof und vom Nachfolger Petri ist die Suche nach den angemessenen Strukturen im Gange: In vielen Fällen hat die Suche bereits ihre Ergebnisse gebracht. In anderen Fällen ist man noch am Sondieren. Zum Beispiel fragt man sich, ob nach fünf Versuchsjahren die Statuten für den Neokatechumenalen Weg endgültig bestätigt werden sollen oder ob es noch eine gewisse Zeit des Versuchs braucht oder ob vielleicht einige Elemente dieser Struktur noch etwas überarbeitet werden müssen. Jedenfalls kenne ich die Neokatechumenalen von Anfang an. Es ist ein langer Weg gewesen, mit vielen Komplikationen, die es auch heute noch gibt, aber wir haben eine kirchliche Form gefunden, die das Verhältnis zwischen dem Hirten und dem Neokatechumenalen Weg schon sehr verbessert hat. Und so gehen wir voran! Dasselbe gilt für die anderen Bewegungen.

Als Synthese der beiden Grundregeln würde ich jetzt sagen: Verlangt sind Dankbarkeit, Geduld und Annahme auch der Leiden, die unvermeidlich sind. Auch in einer Ehe gibt es immer Leiden und Spannungen. Und trotzdem gehen die Partner weiter voran, und so reift die wahre Liebe. Dasselbe geschieht in der Gemeinschaft der Kirche: Haben wir Geduld miteinander! Auch die verschiedenen Ebenen der Hierarchie – vom Pfarrer bis zum Bischof und zum Papst – müssen einen ständigen Gedankenaustausch pflegen, müssen das Gespräch fördern, um gemeinsam den besten Weg zu finden. Die Erfahrungen der Pfarrer sind grundlegend, aber dann auch die Erfahrungen des Bischofs und, so sagen wir, die universale Sicht des Papstes haben ihren theologischen und pastoralen Platz in der Kirche.

Also einerseits dieses Miteinander der verschiedenen Ebenen der Hierarchie; andererseits erzeugt das Miteinander, das in den Pfarreien geduldig und aufgeschlossen im Gehorsam gegenüber dem Herrn gelebt wird, wirklich die neue Vitalität der Kirche.

Seien wir dem Heiligen Geist dankbar für die Gaben, die er uns geschenkt hat. Gehorchen wir der Stimme des Geistes, aber seien wir auch klar bei der Integration dieser Elemente in das Leben: Dieses Kriterium dient am Ende der konkreten Kirche, und mit Geduld, Mut und Hochherzigkeit wird uns so der Herr gewiss leiten und uns helfen.

Quelle: vatican.va